Beitragsbild Pilgern Teil 1

Abenteuer Pilgern: Klaus und Niklas auf dem Jakobsweg (1. Teil)

Die Reisewelt ist immer noch voller Abenteurer. Trotz Pauschaltourismus, All inclusive und Ferienressorts, in denen man als Gast kaum mit der ursprünglichen Kultur des Landes in Kontakt kommt.
Es gibt aber auch immer noch die Reisenden, die einfach ihren Rucksack packen und auf eigene Faust losziehen, um die Welt zu entdecken.

Pilgern Abenteurer
Die Abenteurer sind unter uns: mit dem Rucksack die Welt entdecken …

Vielleicht stimmt „immer noch“ auch überhaupt nicht. Vielleicht hat die Anzahl der Menschen, die auf diese Art reisen, sogar zugenommen. Oder man nimmt sie einfach nur mehr wahr.
Früher musste man allein die Welt umsegeln, auf den Mount Everest steigen oder eine Expedition zum Südpol wagen, um von den Medien überhaupt beachtet zu werden. Heute gibt es unzählige Reiseblogs und ihre Beliebtheit wächst. Denn wir sehnen uns nach den Geschichten dieser Reise-Abenteurer. Lassen uns von ihnen inspirieren. Und fragen uns: Wenn die das können, warum eigentlich nicht auch wir.

Die Reise-Abenteurer sind unter uns

Klaus Kwoll
Mein Schwager Klaus Kwoll beim Pilgern

Manchmal aber braucht es gar kein Internet und keinen Reiseblog, um auf spannende Geschichten über Reisen und Menschen zu stoßen. Manchmal sind uns diese Abenteurer näher als wir glauben.
Mein Schwager zum Beispiel. Klaus Kwoll.
Als er mir erzählte, er wolle mit seinem sechzehnjärigen Sohn Niklas auf dem Jakobsweg pilgern, war ich völlig überrascht.

Nicht, dass ich es ihm nicht zugetraut hätte. Dass aber auch er diese Sehnsucht in sich trägt, diese Lust, nur mit einem Rucksack und guten Wanderschuhen in die Welt zu reisen und dabei seinen eigenen Platz darin zu finden, davon hatte ich keine Ahnung. Und das machte etwas mit mir.

Niklas Kwoll
Sein 16-jähriger Sohn Niklas in Santiago de Compostella

Es motivierte mich, über meinen Alltag hinaus zu denken. Auch ich wollte wieder Abenteuer erleben. Reisen. Wandern. Aktiv und unterwegs sein. Vielleicht sogar irgendwann selbst pilgern.
Vor allem aber wusste ich, dass ich diesen Reiseblog aus seinem Winterschlaf wecken wollte. Denn die Geschichte von Klaus und Niklas auf dem Jakobsweg gehört erzählt. Als Beispiel für alle, die – so wie ich es tat – denken, dass Pilgern zu exotisch und nur was für die anderen ist.

Interview mit Klaus und Niklas: Pilgern auf Hapes Spuren

Klaus und Niklas Kwoll
Der Start einer Pilgerreise: Klaus und Niklas auf dem Flughafen Hamburg

Liane: Warum habt Ihr Euch bei all den vielen Reisemöglichkeiten, die es gibt, gerade für das Pilgern entschieden?

Klaus: Zuerst hörte ich bei einem Gespräch mit meiner Tante vom Pilgern. Da dachte ich allerdings noch, das wäre nichts für mich. Später stolperte ich über das Hörbuch „Ich bin dann mal weg“ von Hape Kerkeling und es inspirierte mich. Die Idee von einer Reise zu sich selbst gefiel mir und sie verfestigte sich im Laufe der Jahre. Ich las Reiseblogs von Leuten, sie selbst gepilgert waren und dachte: „Bevor ich 50 bin, muss ich das auch in Angriff nehmen.“ Und im letzten Sommer war es dann soweit …

Auf dem Jakobsweg: Klaus am Pilgerdenkmal an der Ponte da Veiga
Auf dem Jakobsweg: Klaus am Pilgerdenkmal an der Ponte da Veiga

Liane: Auf dem Jakobsweg zu sich selbst zu finden, scheint mir eher etwas für Erwachsene. Wie war das bei Dir, Niklas? Was war Deine Motivation, mit Deinem Vater zu pilgern?

Niklas: Stimmt. An eine Reise zu mir selbst habe ich dabei nicht gedacht. Mich reizte mehr das Abenteuer dabei. Ich stellte mir so eine Vater-Sohn-Tour spannend vor.

Liane: Wie habt Ihr Euch vorbereitet und die Pilgerreise geplant?

Klaus: Erst mal ganz klassisch über Reiseführer. Besonders hilfreich sind die von Leuten, die selbst gepilgert sind. Dort findet man wertvolle Tipps, auf die man allein vielleicht gar nicht gekommen wäre.

Pilgerrucksack
Das Reisegepäck eines Pilgers sollte nicht schwerer als zehn Prozent des Körpergewichts sein.

Zum Beispiel, dass das Reisegepäck eines Pilgers nicht schwerer als zehn Prozent des Körpergewichts sein sollte.
Oder dass es spezielles Puder gibt, um Füße abends wieder trocken zu bekommen. Das spart eine Menge Blasenpflaster.
Ein auch aus eigener Erfahrung ganz besonders wichtiger Tipp sind Vitamin-Brausetabletten. Beim Pilgern schwitzt man viel und bekommt das Verlorene nicht allein durch Essen wieder rein.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir deshalb keine Muskelprobleme hatten, weil wir Vitamintabletten genommen haben.

Liane: Und wie ging die Planung dann weiter?

Kathedrale in Santiago de Compostela
Das Ziel der Pilgerreise: die Kathedrale in Santiago de Compostela

Klaus: Wir haben uns anhand der zur Verfügung stehenden Zeit von knapp drei Wochen eine Strecke ausgesucht. Klar war, dass es der Jakobsweg nach Santiago de Compostela sein sollte.
Wo aber starten? Wir wählten die portugisische Hafenstadt Porto. Das sind etwa 250 Kilometer. Bei 20 bis 25 Kilometern täglich ließ uns das einen genügend großen Zeitpuffer, so dass wir nach dem Pilgern noch einen Erholungsurlaub dranhängen konnten.
Dann buchte ich den Hin- und Rückflug und besorgte unsere Pilgerpässe. Wenn man das vorher schon zu Hause macht, spart man sich Laufereien nach der Ankunft.

erste Etappe kurz hinter Porto
Auf der ersten Tagesetappe der Pilgerreise

Liane: Wozu braucht man diesen Pilgerpass eigentlich? Ich habe gelesen, dass man die verschiedenen Stationen abstempeln lassen kann. Ist das so etwas wie eine persönliche Trophäe?

Niklas: Ja, auch. Man kann durch die Stempel in Santiago nachweisen, dass man die ganze Strecke zu Fuß gelaufen ist und bekommt dafür eine Urkunde. Aber der Pilgerpass hat auch einen ganz praktischen Nutzen. Man kann damit günstig in Albergues und Refugios übernachten. Das sind kirchlich, staatlich oder privat geführte Pilgerherbergen. Die sind zwar nicht so komfortabel wie Hotels, dafür aber viel preiswerter.

Pilgerherberge
Eine Pilgerherberge ist nicht so komfortabel wie ein Hotel, dafür aber viel preiswerter.

Liane: Und wie war das mit den Unterkünften? Wenn ich Euch richtig verstanden habe, habt Ihr die vorher nicht gebucht.

Klaus: Stimmt. Wir wollten flexibel sein. Und das war auch gut so.
Von Porto nach Santiago de Compostela gibt es zwei Strecken des Jakobswegs: den Inland- und den Küstenweg. Ursprünglich hatten wir den Inlandweg geplant, weil der etwas kürzer ist.

vergängliche Kunst auf dem Jakobsweg: in den Sand gemalte Muster am Strand
Auf dem Küstenweg: vergängliche Kunst am Strand

Vor dem Lospilgern sind wir noch einmal in der Touristeninformation gewesen und dort hat man uns dann aber den Küstenweg empfohlen. Auf dem sind im Sommer die Temperaturen erträglicher.
Hätten wir die Unterkünfte vorher schon gebucht, wäre diese Planänderung nicht möglich gewesen. Und natürlich wollten wir auch über die Länge der Strecke, die wir jeden Tag pilgern, spontan nach Tagesform entscheiden können.

abfotografierte Karte vom Jakobsweg
Manchmal muss man als Pilger auch improvisieren: eine abfotografierte Karte vom Jakobsweg

Liane: Hattet Ihr für den Küstenweg überhaupt Karten?

Klaus: (grinsend) Nein …

Liane: Und? Wie habt Ihr den Weg dann gefunden?

Klaus: (immer noch grinsend) Wir haben einfach von Mitreisenden die nächste Etappe aus deren Reiseführern mit unserem Handy abfotografiert.

Niklas: Außerdem ist der Pilgerweg gut ausgeschildert. Sollte man sich doch mal verlaufen, dauert es nicht lange, bis man wieder auf eine Markierung stößt.

Wegweiser Jakobsweg
Der Jakobsweg ist gut ausgeschildert.

Liane: Hat das mit den Übernachtungen denn auch ohne Buchung immer geklappt?

Niklas: Meistens schon. Aber zum Teil ist es auch Glückssache. Einmal zum Beispiel haben wir in einem vollen Refugio auf Matratzen in einem Nebenraum übernachtet.

Klaus: Und manchmal mussten wir auch in Hotels ausweichen. Wie an dem Tag, als wir an unserem geplanten Ziel keinen Schlafplatz finden konnten. Wir sind dann bis zum nächsten Ort gepilgert. Noch einmal 14 Kilometer.

Noch 14 Kilometer bis zur Pilgerherberge ...
Noch 14 lange Kilometer bis zur nächsten Pilgerherberge. Nicht immer ist der Jakobsweg schön.

Dort hatte die Albergue aber schon geschlossen. Nach unserer Uhr waren wir eigentlich rechtzeitig da. Ein paar Minuten wären da noch gewesen. Aber in Spanien gehen die Uhren wohl anders … Der Inhaber hat uns aber immerhin den Weg zu einem Hotel erklärt und dort kamen wir dann unter.

Niklas beim Abendessen nach einem langen Pilger-Tag
„Der Weg gibt Dir, was Du brauchst.“ Und manchmal ist das einfach etwas Herzhaftes zwischen die Zähne am Ende eines langen Pilger-Tages.

Liane: Dann war das Ankommen in der Pilgerherberge oder im Hotel sicher immer mit einer großen Erleichterung verbunden, endlich einen Schlafplatz gefunden zu haben.

Niklas: Eher weniger. Ich habe mir da kaum Gedanken gemacht. Unser Leitsatz beim Pilgern war: Der Weg gibt Dir, was Du brauchst.

 

 

In wenigen Tagen folgt der zweite Teil des Interviews über das Pilger-Abenteuer von Klaus und Niklas, in dem sie über Erschöpfung und Motivation, über die Menschen unterwegs, ihre schönsten Erlebnisse und spirituellen Erfahrungen auf dem Jakobsweg erzählen.

27 Gedanken zu „Abenteuer Pilgern: Klaus und Niklas auf dem Jakobsweg (1. Teil)“

  1. Ich habe erst letzte Woche den Film im Kino gesehen. Das ist schon ein Traum von mir den Weg zu gehen. Der Artikel macht schon wieder Lust. Einfach mal aus allem rauszukommen, muss eine Wohltat sein.

  2. Pilgern rockt! :) So war es zumindest bei mir. Und hat einiges in meinem Leben verändert. 2 Jahre ist es nun fast her, doch der Jakobsweg geht weiter.. irgendwie.. auch im Alltag. Denn er verändert und lässt einen wachsen.
    Nach meinem 1.Jakobsweg (dem Camino del Norte) habe ich den Blog http://www.jakobsweg-kuestenweg.com ins Leben gerufen. Erst aus Spaß, nun ist er zu einem der größten Blogs zu diesem Thema überhaupt geworden. Geplant hatte ich dies nicht.
    Den Camino Portugues habe ich auch schon zu einem Teil kennenlernen dürfen. Ein guter Freund von mir bricht in wenigen Wochen auf und zusammen arbeiten wir an einer neuen Webseite speziell zu diesem Jakobsweg auf http://www.camino-portugues.de
    Diesen Weg mit dem Sohn oder der Tochter zu gehen, hat noch einmal etwas ganz besonderes, finde ich. :) Hut ab und buen Camino weiterhin, so lautet der Pilgergruß!
    Lg, Christoph

  3. Sehr cooler Beitrag über den Jakobsweg. Ich möchte ich auch gerne mal versuchen, traue mich aber nicht wirklich (leider.. :/ ).

    Ihr scheint wirklich viel Sapß dabei zu haben!

  4. Normalerweise antworte ich auf jeden Kommentar einzeln. Dieses Mal aber kann ich inhaltlich gar nicht viel Sinnvolles beitragen, ich habe diese Reise ja nicht selbst gemacht.
    Um so mehr freue ich mich, dass Klaus selbst sich zu Wort gemeldet hat.
    Ein ganz großes Dankeschön an alle, die hier kommentiert haben, aber trotzdem auch von mir.
    Kommentare sind der schönste Lohn für den Blogger!
    Liebe Grüße! Liane

  5. Das Interview zu lesen, macht mir eine riesen Lust, einfach loszugehen – sofort! Schlaue Fragen, tolle Bilder und Antworten, in denen ein Hauch von Pilgergefühl mitschwingt (so wie ich es mir vorstelle). Ich freue mich auf die Fortsetzung!

    1. Danke! Gerade von Dir freut mich das positive Feedback besonders, meine Liebste. Ja, lass uns losziehen. Sofort … ^^
      Teil zwei ist übrigens schon online, habe es nur noch nicht bei facebook gepostet.

  6. In Santiago de Compostela war ich schon, habe aber geschummelt und bin mit dem Bus hin :-). Der Weg steht auf meiner Todo Liste. Zu welcher Jahreszeit pilgert man denn am besten? Zu heiß ist sicherlich schlecht, aber kalt sollte es auch nicht sein :-).

  7. Hut ab – ganz ehrlich. Ich finde die Idee auch für mich total spannend, bezweifle aber, dass ich es durchhalte. Aus diesem Grund habt ihr meine volle Hochachtung. Außerdem ist es Bericht, der wirklich sehr persönlich ist und nicht so distanziert, wie manch Reiseführer. Danke dafür…

  8. Vorab gesagt, ein sehr schöner Reisebericht und tolle Eindrücke, welche in diesem Beitrag geschildert wurden!
    Ich habe jetzt auch Lust bekommen selber diesen Weg zu bestreiten, jedoch bin ich mir ziemlich unsicher was die Unterkünfte angeht. Im Beitrag wurde die Buchung im Voraus abgelehnt, aufgrund der Flexibilität. Das kann ich gut nachvollziehen, aber ich würde es schrecklich finden mit einer durchgehenden Unsicherheit wandern zu müssen, ob man Abends überhaupt noch ein Schlafplatz bekommt, oder eben nicht. Außerdem denke ich Hotels sind besser geeignet, da man dort besser neue Energie sammeln kann. als in einer überfüllten Pilgerherberge.

    Viele Grüße

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